Im Internet kursieren viele gefährliche Tipps dazu, wie man angeblich
Daten von defekten Festplatten retten kann – und doch nur alles
schlimmer macht. Die sieben gefährlichsten Mythen.
Kuert Datenrettung ist ein Unternehmen aus Bochum, das auf die
Datenrettung und Reparatur von Festplatten und NAS-Systemen
spezialisiert ist. Es hat Internetforen auf die zehn fragwürdigsten und
gefährlichsten Mythen und Unwahrheiten in Zusammenhang mit der Reparatur
von defekten Speichermedien und der Rettung von Daten von defekten
Festplatten durchsucht. Wir haben die Ergebnisse kurz zusammengefasst.
Die folgenden Internet-„Tipps“ zum Retten von Daten sollten Sie also
nicht anwenden, weil Sie damit vorhandene Schäden noch verschlimmern
können. Am besten ist es natürlich, wenn Sie Ihre Daten mit ein paar
Kniffen und etwas Vorsorge vor solchen Katastrophen vorab bewahren.
1. Kühlschrank, Eisfach und Ofen
Anwender wollen mit Hilfe eines Eisfachs, eines Haartrockners oder
eines Backofens ihre defekte Festplatte wieder zum Leben erweckt haben.
Die Idee dahinter: Plötzliche Wechsel von warmen zu kalten Temperaturen
oder kalten zu warmen Temperaturen soll das Metall im Inneren der
Festplatte, hier insbesondere den defekten Spindelmotor der Festplatte,
ausdehnen, damit dieser wieder andrehen kann.
Anderen Theorien zufolge soll ein Einfrieren der Festplatte es
ermöglichen, dass man einen zeitweiligen Datenzugriff auf überhitzte
Platten erhält. Weitere Theorien drehen sich um das Lubrikant, einen ca.
2 nm dünnen Schutzfilm auf den Magnetscheiben, bei dem eine Absenkung
der Temperatur am Lubrikant festklebende Schreib-Leseköpfe angeblich
wieder lösen soll. Das Lubrikant von Festplatten besteht aus
Perfluoropolyether, einem Polymer mit einer durchschnittlichen
Glasübergangstemperatur bei -60 bis -120 Grad C, wie Kuert erläutert.
Solche Temperaturen erreichen Sie aber mit keinem normalen Eisfach.
Selbst wenn es theoretisch möglich wäre, dass eine Festplatte nach dem
Einfrieren wieder anfährt, so wäre dies nur für einen kurzen Moment der
Fall und die Zeit wäre nicht ausreichend, um alle wichtigen Daten vom
Laufwerk zu kopieren.
Beim Einfrieren einer Festplatte entsteht zudem Kondensation auf den
Magnetscheiben. Das stört das fehlerfreie Lesen. Und die Platine der
Festplatte wird durch Kondensationsrückstände feucht, was zu einem
Kurzschluss auf der Platine führt, wie Kuert warnt.
2: Ein Schlag auf die Festplatte
Anwender berichten mitunter, dass sie es durch einen Schlag auf ihre
defekte Festplatte geschafft haben, diese wieder in einen lauffähigen
Zustand zu bringen. Technisch betrachtet kann das aber laut Kuert nur
mit sehr stark veralteten Festplatten funktionieren. Jede Festplatte,
die jünger als zehn Jahre ist, wird diese Vorgehensweise mit weiteren
Beschädigungen quittieren. Jedes Bit, das in den dadurch verkratzten
Stellen liegt, ist unwiederbringlich verloren, so Kuert.
3. Magnetscheiben von Festplatten in einem anderen Festplatten-Gehäuse auslesen
Die Ausrichtung der Scheiben sowie die Köpfe innerhalb einer
Festplatte sind herstellerseitig auf ein µ genau kalibriert. Anwender
sollten somit unter keinen Umständen versuchen, die Festplatte auch nur
zu öffnen.
4. Datenrettung deckt die Herstellergarantie ab
Falsch. Festplatten-Hersteller decken die Kosten für die Datenrettung
von Festplatten nicht ab. Falls Ihre Festplatte defekt ist und sich noch
im Garantiezeitraum des Herstellers befindet, so wird Ihr defektes
Festplattenlaufwerk durch ein funktionierendes ausgetauscht - das war's.
Insofern ist es wichtig, regelmäßig die eigenen Daten zu sichern.
5. Bei einer ausgefallenen Festplatte die Platine tauschen
Das ist laut Kuert teilweise falsch. Bei einer ausgefallenen
Elektronik von sehr alten Festplatten (häufig < 300 GB) kann der
Tausch mit einer baugleichen Elektronik durchaus zum Erfolg führen. Bei
allen Festplatten >300 GB kann der Austausch einer baugleichen
Elektronik zu einer Verschlimmerung des Schadensbildes führen, da die
Elektronik zwar baugleich ist, die in ihr gespeicherten, zumeist
einzigartigen Betriebsparameter im Festplattenbetrieb jedoch abweichen.
Selbst wenn die getauschte Platine zu 100 Prozent baugleich ist, gilt
dies nicht für die gespeicherten technischen Betriebsparameter im ROM.
Diese sind immer einzigartig und müssen von der defekten Platine auf die
Ersatzplatine kopiert werden.
6. Mechanische Probleme mit Software lösen
Bei einer fehlerhaften Festplatten-Mechanik besteht keinerlei
Zugriffsmöglichkeit auf die Datenebene. In solchen Fällen sollte man die
Festplatte unter keinen Umständen mehr anschalten.
In Fällen, bei denen eine defekte Festplatte schon auf der Bios-Ebene
nicht mehr angezeigt wird, sollten keine weiteren Schritte oder
Maßnahmen eingeleitet werden, um zu versuchen, die Daten mittels einer
Datenrettungssoftware zu retten . Was bereits auf Bios-Ebene nicht
erkannt wird, kann laut Kuert auch durch eine Software nicht
angesprochen werden. Dies gilt für alle Arten von Speichermedien, etwa
Speicherkarten und USB-Sticks, und ist nicht nur allein auf Festplatten
beschränkt.
7. Nach Formatierung der Festplatte sind Daten permanent verloren
Falsch. Die Formatierung einer Festplatte oder auch nur das Löschen
einer einzelnen Datei löscht die Datei zwar aus dem Inhaltsverzeichnis,
jedoch nicht die gespeicherten physikalischen Inhalte auf den
Magnetscheiben. Insofern ist die Datenwiederherstellung nach einer
Formatierung oder Löschung der Festplatte durchaus möglich. Deshalb ist
es wichtig, dass Sie Ihre Daten von einer Festplatte sicher löschen,
bevor sie diese verkaufen oder entsorgen.
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