Donnerstag, 19. November 2020

"Hat mal jemand ein iPhone-Kabel?"

 Wenn schon die Welt manchmal aus den Fugen geraten zu sein scheint, dann möchten doch wenigstens die kleinen Dinge des Lebens funktionieren. So freut man sich, wenn das Fahrrad in Berlin-Mitte noch da ist, wo man es abgestellt hat, gesichert mit zwei Panzerschlössern. Wenn die S-Bahn in München pünktlich fährt, was sie nachgewiesenermaßen viel zu oft nicht tut. Auch setzt es ein paar Glückshormone frei, wenn es nicht wie früher einen ganzen Tag kostet, die Daten seines alten Smartphones auf ein neues umzuziehen.


Meistens will man ja nicht Tabula rasa machen, sondern man will/braucht die gewohnten Apps - wie wüsste man sonst, wie viel Verspätung die S-Sowieso mal wieder hat. Und man will auch nicht all die verdammten Passwörter neu eingeben. Ja, das könnte man mit einem Passwortmanager lösen, aber so ganz ohne sind die auch nicht. Daher nun die gute Nachricht: Im Vergleich zu früher ist diese Prozedur heute ein Kinderspiel, vor allem, wenn man sich ein iPhone leisten kann/will.

Es ist eigentlich nicht mehr möglich, den Umzug von einem iPhone auf ein anderes noch einfacher zu gestalten. Man muss das neue Gerät nur in die Nähe des alten bringen, das Passwort für die Apple-ID eingeben, und das Ergebnis ist nach kurzer Zeit eine perfekte Kopie des alten Gerätes. Sogar die Apps finden sich an derselben Stelle wieder, die Passwörter sind schon eingegeben.

Auch Android hat in dieser Hinsicht aufgeholt, funktioniert aber nicht so umfassend wie das Apple-System, weil es offener ist und mehr Wahlmöglichkeiten lässt. Zum Teil bieten aber auch die Gerätehersteller komfortable Umzugsmöglichkeiten. Das alles natürlich - wie auch bei Apple - mit dem Hintergedanken, dass es auch ein Argument für die Nutzer ist, bei der Marke zu bleiben.

Aber Hintergedanke hin, Hintergedanke her - man darf die Industrie auch mal loben, wenn sie etwas hingekriegt hat. Früher war es eine Sache für Experten und Frickler, etwa Kontaktdaten-Dateien von einem Handy aufs Nächste zu übertragen. So manche/r hat es am Ende lieber per Hand gemacht und dabei - was auch nicht unbedingt schlecht war - die Karteileichen gleich aussortiert. Von den Passwörtern gar nicht zu sprechen, die mussten natürlich neu eingegeben werden.

Wenn das schon so gut klappt - wir hätten da noch was, liebe Industrie: Ist es nicht ärgerlich, dass es immer noch zu viele verschiedene Varianten des Ladeanschlusses an Handys und anderen Kleingeräten gibt? Immerhin ist Apple insoweit vorgeprescht, als die Kartons der neuen iPhones merklich dünner geworden sind. Es fehlen das kabelgebundene Headset und vor allem: das Ladegerät. Nur noch ein Kabel liegt bei. Auf der einen Seite mit dem neuen verdrehsicheren USB-C-Anschluss, auf der anderen mit Apples eigener Variante, genannt Lightning.

Bei seinen iPads der Pro-Serie und auch dem neuen iPad Air ist Apple sogar schon auf den USB-Anschluss umgeschwenkt - es wäre gut sowohl für die Nutzbarkeit ("Hat mal jemand ein iPhone-Kabel?") als auch für Umwelt, wenn es hier einheitlicher zuginge. Schließlich könnte dann jedes USB-Ladegerät verwendet werden, wenn auch vielleicht nicht mit höchster Ladegeschwindigkeit.

Warum aber zögert ein Schwergewicht wie Apple, das besonderen Wert auf Nutzerfreundlichkeit legt, damit so lange? Ach ja, richtig, es sind halt auch Millionen von Zusatzgeräten mit Apple-Anschluss auf dem Markt - der schädliche Nebeneffekt des Sonderwegs. Diese Kunden will Apple (noch) nicht verprellen. Dabei ist der Konzern aus Kalifornien durchaus prominent vertreten in dem Industriekonsortium, das die Weiterentwicklung des USB-Standards koordiniert und vorantreibt. Langfristig wird sich hoffentlich USB durchsetzen. Bei den Android-Geräten ist das bereits so. Zuerst waren nur die teureren Geräte damit ausgestattet, doch mittlerweile kommt kaum mehr ein Smartphone mit dem alten Micro-USB-Anschluss auf den Markt.

Spätestens nach zwei Tagen müssen Smartphones an die Steckdose
Die Sache mit dem Aufladen ist natürlich deshalb ein so großes Ärgernis, weil den Smartphones seit ihrer Erfindung ein Mangel nicht auszutreiben ist: ihr Stromhunger. Ja, die neueste Generation leistet im Vergleich zur ersten unfassbar viel mehr. Smartphones sind zu ultratragbaren Internet-Geräten mutiert, die es ihren Nutzern ermöglichen, eine Vielzahl von Diensten zu nutzen - Telefonieren ist schon lange Nebensache geworden.

Doch noch immer müssen sie - von ein paar Spezialgeräten etwa für den Outdoor-Bereich abgesehen - nach einem Tag, höchstens zwei Tagen wieder an die Steckdose. Und ist der Akku erst einmal etwas älter, werden die Intervalle kürzer. Ja, man könnte die Stromspeicher wieder wechselbar machen, so wie das bei Android-Geräten lange üblich war. Doch das würde auch große Kompromisse bei der Bauform erzwingen, der wechselbare Akku muss extra geschützt werden, der fest im Gehäuse verbaute wird durch eben dieses Gehäuse geschützt. Leichtere Wechselbarkeit könnte man aber schon verlangen.

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